Die Macht des Glaubens

Politische Selbstwirksamkeit und politische Partizipation

Ob sich Bürger*innen politisch beteiligen, ist Gegenstand vielfältiger wissenschaftlicher Forschung. Das Konzept der (politischen) Selbstwirksamkeit ist dabei eines der zentralen Schlüsselkonzepte: Personen, die von ihren Fähigkeiten überzeugt sind, politische Sachverhalte zu verstehen und sich politisch zu beteiligen, tun dies auch deutlich häufiger.

Politische Selbstwirksamkeit bezieht sich auf die Überzeugung, in der Lage zu sein, Handlungen zu organisieren und durchzuführen, die notwendig sind, um bestimmte Ziele zu erreichen. Selbstwirksamkeit ist also auf den Glauben an die eigenen Fähigkeiten bezogen. Dadurch ergibt sich auch, dass sich die wahrgenommene Selbstwirksamkeit nicht notwendigerweise mit den tatsächlichen Fähigkeiten decken muss. Traditionell wird die politische Selbstwirksamkeit in zwei Komponenten unterteilt: interne und externe Selbstwirksamkeit. Während sich die interne Selbstwirksamkeit auf die Überzeugung bezieht, dass man selbst in der Lage ist, die Politik zu verstehen und sich effektiv an ihr zu beteiligen, beschreibt die externe Selbstwirksamkeit die Überzeugung, dass staatliche Behörden und Institutionen auf die Anliegen der Bürger*innen reagieren. Empirische Untersuchungen zeigen, dass insbesondere interne politische Selbstwirksamkeit eine wichtige Rolle dabei spielt, ob sich Personen politisch beteiligen oder nicht.

Wie bildet sich politische Selbstwirksamkeit?

Eingebettet in die „Social Cognitive Theory“ von Albert Bandura (1997), können verschiedene Faktoren identifiziert werden. Dabei spielen sowohl direkte als auch indirekte Erfahrungen, sowie Formen von sozialem Feedback eine wichtige Rolle. Direkte Erfahrungen sind als Quelle von Selbstwirksamkeit sehr einleuchtend, da anhand von vergangenen Erlebnissen schnell auf zukünftige Ereignisse geschlossen wird: Bürger*innen, die erfolgreich an einem konstruktiven und angenehmen Gespräch mit Politiker*innen teilgenommen haben und so Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen konnten, werden sich wahrscheinlich erneut mit Politiker*innen austauschen. Wenn Bürger*innen sich unsicher fühlen, weil ihnen politische Abläufe zu komplex erscheinen oder sie das Gefühl haben, dass Politiker*innen sie nicht ernst nehmen, ist es unwahrscheinlicher, dass sie nach einem negativen Erlebnis erneut auf diese Weise politisch partizipieren. Das Gleiche gilt in abgeschwächter Form auch für indirekte Erlebnisse. Dabei handelt es sich um Prozesse, die bei anderen Personen beobachtet werden, denen man sich selbst ähnlich oder verbunden sieht. Formen von sozialem Feedback, wie zum Beispiel Bestärkung durch andere Personen, können einen ähnlichen Effekt haben. Dieser Effekt kann jedoch auch negativ wirken, wenn man regelmäßig vermittelt bekommt, dass man bestimmte Kompetenzen nicht besitzt.

Politische Selbstwirksamkeit für alle?

Doch das Gefühl politischer Selbstwirksamkeit ist nicht gleichmäßig verteilt. Bürger*innen mit hohem Einkommen und hoher Bildung haben statistisch gesehen einen höheren Grad an interner politischer Selbstwirksamkeit. Frauen und Personen mit Migrationsgeschichte hingegen haben eher einen geringeren Grad. Auch wenn sich das nicht zwingend auf alle Formen politischer Partizipation gleichermaßen übersetzt, hat es doch einen erheblichen Einfluss auf allgemeine Handlungsgewohnheiten und konkrete Entscheidungen.

Die Bedeutung von Politischer Bildung und Sozialisation

Da insbesondere bei jungen Menschen Formen des sozialen Lernens einen starken Effekt auf (späteres) politisches Verhalten haben, können Schulen als wichtiger Ort politischer Bildung und Sozialisation verstanden werden. Insbesondere, weil dort fast alle Kinder und Jugendlichen zusammenkommen und Schulen im Optimalfall als Gleichmacher wirken – unabhängig der sozialen Herkunft. Dass dieser Idealfall in Deutschland jedoch leider verfehlt wird, zeigen Studien wie zum Beispiel „Wer hat, dem wird gegeben: Politische Bildung an Schulen“ von Prof. Dr. Sabine Achour und Susanne Wagner. In dieser Studie zeigen die Autorinnen, dass Schüler*innen mit bereits privilegierten Startvoraussetzungen quantitativ und qualitativ meist hochwertigere Angebote der politischen Bildung zur Verfügung gestellt werden. Oftmals werden so bestehende Ungleichheiten reproduziert und dadurch in politisches Verhalten bzw. langfristig in politische Entscheidungen getragen.

Fazit

Interne politische Selbstwirksamkeit hat einen starken Einfluss auf politische Partizipation und zeigt, dass nicht nur der Zugang zu politischen Beteiligungsformen allein entscheidend ist. Wer nicht glaubt, über die nötigen Kompetenzen zu verfügen, wird Beteiligungsangebote seltener annehmen als Personen mit hohem politischen Selbstwirksamkeitsgefühl. Dies hebt die Bedeutung von guter politischer Bildung sowie von Empowerment unterprivilegierter Gruppen hervor.

Alexander Iwan ist Student an der Freien Universität Berlin, wo er Politikwissenschaft im Master studiert. Sein Schwerpunkt liegt dabei auf Demokratieforschung. Außerdem arbeitet er am Weizenbaum Institut für vernetzte Gesellschaft als studentischer Mitarbeiter in der Forschungsgruppe „Dynamiken der digitalen Mobilisierung“.